Schulpolitik

Landtagswahl

Nach vielen Recherchen und Diskussionen ist meine Entscheidung nicht leichter, aber klarer geworden. Es bleibt dabei: Keiner Partei kann ich guten Gewissens meine Stimme geben. Also habe ich nur zwei Möglichkeiten: Ich kann die Stimme wegwerfen und nicht wählen bzw. eine kleine Partei wie die Piraten. Oder aber ich wähle ein Thema, das für meine Stimme den Ausschlag gibt.
Die Umweltpolitik ist mir sehr wichtig. Aber meine These ist: Das, was ich diesbezüglich immer schon will, wird jetzt langsam common sense: Wir brauchen eine nachhaltige Energiewirtschaft und müssen die Atomkraft abschaffen. Ob Herr Mappus jetzt wirklich grundlegend oder nur wahlkampftechnisch diese Ansicht vertritt, ist eigentlich sogar egal. Denn die Atomkraft hat in Deutschland keine Chance mehr, egal was die BW-CDU jetzt sagt. Diese Bewegung muss ich mit meiner Stimme nicht unterstützen, das läuft auch so.
In der Bildungspolitik sieht das anders aus. Da habe ich das Gefühl, dass vielen dieses Thema egal ist - oder dass sie ungute Schlüsse ziehen, weil sie als nur indirekt Betroffene weniger als ich bedenken, was die Folge ist.
Dabei finde ich die Frage gar nicht entscheidend, ob das dreigliedrige Schulsystem oder die Gesamtschule besser ist. Aber selbst wer das Gesamtschulsystem favorisiert (was ich nicht tue), muss sich fragen lassen: Ist das System wirklich so haushoch überlegen, dass es einen komplette Revolution rechtfertigt?
Was wir in der Schule viel mehr brauchen als eine riesige Systemdiskussion, ist das eine: Ruhe! Ruhe, um endlich mal gründlich arbeiten zu können und die Schule, die wir haben, weiter zu entwickeln. Wir haben in den paar Jahren seit meinem Referendariat schon mehrere grundlegende Wechsel gehabt, die noch gar nicht zu Ende gedacht sind. Alleine die Streichung eines ganzen Schuljahres und die Verwandlung von der Halbtags- zur Ganztagsschule sind zwar schon vollzogen, aber noch nicht wirklich gut gemacht. Da ist noch so viel zu tun - und nun soll die Umorganisation zur 6jährigen Grundschule oder gar zur 10jährigen Gemeinschaftsschule ernsthaft Probleme lösen? Es werden nur neue geschaffen, das ist meine Überzeugung. Ach würde ich doch in Rheinland-Pfalz wählen können, denn dort wird genau diese Strategie schon seit langem erfolgreich verfolgt: ruhiger Wandel statt hektischem Wechsel. Und dabei gehört Doris Ahnen der SPD an...
Diese Position ist aber vermutlich nur für wenige Menschen wahlentscheidend, daher ist meine Stimme hier gefordert. Ich bin mir sehr sicher, dass ich Bauchschmerzen haben werde, wenn ich am Sonntag aus der Wahlkabine komme und daran denke, wem ich gerade meine Stimme gegeben habe. Aber falls in ein paar Jahren mein Job als Gymnasiallehrer, den ich sehr liebe und voller Überzeugung ausübe, abgeschafft würde, möchte ich mir nicht vorwerfen müssen, selbst dazu beigetragen zu haben.
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Wahl-O-Mat

Die baden-württembergische Landtagswahl macht mich ratlos. Noch war ich so unsicher, wem ich meine Stimme geben soll.

Ungeduldig erwartete ich den Start des Wahl-O-Maten Ende Februar, um mal die Programme der Parteien abzuklopfen. Aber die 38 Fragen haben dann nicht wirklich zu Klarheit geführt. Das hatte ich fast erwartet, aber das Ergebnis fand ich dann doch sehr überraschend:

Ich bin ja schon froh, dass die NPD, die ich rein zu Kontrollzwecken ausgewählt hatte, doch ein bissel abgeschlagen landete. Aber die Grünen nur knapp davor? Und überhaupt: Fast alle doch wirklich gleichauf.
Es bieten sich zwei Erklärungsmöglichkeiten an:
1. Die Programme der Parteien sind austauschbar. Also ist das Ergebnis im Wahl-O-Mat so egal (= gleich), wie das Kreuz auf dem Wahlzettel egal wäre. Würde ins Bild der letzten 20 Jahre passen, dass die Parteien in die Mitte drängen. Ich meine mich tatsächlich zu erinnern, dass in den 70ern und 80ern die Diskussionen zwischen dem linken und dem rechten Lager erbitterter waren als heute. Welche großen Unterschiede gibt es dagegen zwischen der Kanzlerschaft Schröders und der Merkels? Es gibt sicher welche, aber gravierend sind sie nicht.
Ich tendiere aber trotzdem eher zu einer zweiten Theorie:
2. Meine Ansichten passen zu keiner Partei alleine. Wenn ich die Anti-Atompolitik der Grünen unterstützen möchte, so bin ich doch mit deren Schulpolitik überhaupt nicht einverstanden. Als Innenminister stelle ich mir dann vielleicht sogar einen FDP-Menschen vor.
Das ist ein übles Dilemma: Wähle ich die Grünen, so stimme ich damit für die Abschaffung des Gymnasiums. Aber auch wenn unser Schulsystem verbessert werden muss - ein kompletter, ideologisch motivierter Umsturz bringt eher neue Probleme als die Lösung der alten.
Wähle ich die CDU, die offensichtlich als einzige nicht das schulpolitische Heil in einem Systemwechsel sucht, so wird Herr Mappus das gewiss als Votum für Stuttgart21 werten.
Die SPD stand bisher sogar für beides: Gesamtschule UND Stuttgart21. Außerdem hat sie vermutlich sowieso BaWü von vornherein verloren gegeben. Sonst hätte sich doch bestimmt ein Spitzenkandidat gefunden, den der Wähler nicht spontan für einen Hinterbänkler hält - so ist es mir zumindest beim ersten Anblick eines SPD-Plakats mit Nils Schmid (NIls Wer?) gegangen.
Also was nun tun? Nichtwählen ist keine Option, weil mir das Wahlrecht zu wertvoll ist. Ob ich doch noch Protestwähler werde, also für eine Partei stimme, gerade weil ich weiß, dass diese die 5% nicht erreicht?
Meine Lehre aus Stuttgart21: Nie vorher ist mir so deutlich aufgefallen, dass das Kreuz alle vier Jahre nicht reicht, sondern dass wir mehr direkte Demokratie in Einzelfragen brauchen.
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Vorgriffsstundenmodell 2

Die Landesregierung hat bezüglich des Vorgriffsstundenmodells wohl ein Stückchen zurückgerudert: Die jungen Kollegen sollen nicht verpflichtet werden, eine Stunde länger zu arbeiten, aber sie können es freiwillig tun.
Freiwillig klingt gut. Aber wer die Schulpolitik kennt, wird dem Braten kaum trauen. Denn die Einsparungen (eigentlich stimmt ja nicht mal das, denn es ist ein Kredit: Das Lebensarbeitszeitkonto wird später wieder ausgeglichen - auf Kosten der dann aktiven Generation) sind fest im Haushalt eingeplant. Es geht das Gerücht, dass diese Planung auch in den zugewiesenen Deputaten umgesetzt wird.
Im Klartext: Eine Schule, die 12 oder 13 Lehrer unter 40 hat, bekäme im nächsten Jahr eine halbe Lehrerstelle weniger zugewiesen. Der Schulleiter hätte dann den Auftrag, die jungen Kollegen zur ‚freiwilligen‘ Inanspruchnahme des Vorgriffsstundenmodells zu bewegen. Wenn er die Leute nicht motivieren kann, eine Stunde mehr zu arbeiten, müsste er selbst schauen, wo er die Stunden herzaubert: Oberstufenkurse größer machen, Kursangebot kürzen, Klasse doch nicht teilen...
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Vorgriffsstundenmodell

Es gibt einen neuen Aufreger in der Schule: Die ‚jungen‘ Lehrer bis zum Alter von 40 Jahren sollen eine Stunde pro Woche mehr leisten, dann zwischen 40 und 50 das reguläre Deputat übernehmen, um dann nach 50 die zuviel geleistete Wochenstunde wieder zurückzuerhalten.
Diese Idee mit dem schönen Namen ‚Vorgriffsstundenmodell‘ sieht auf den ersten Blick ganz gut aus: Mehrarbeit, solange der Elan und die Leistungsfähigkeit das hergeben, und individuelle Reduzierung im Alter.
Warum aber suche ich sofort nach einem Haken, wenn ich solche Vorschläge höre? Ganz einfach: Weil die Erfahrung lehrt, dass einer drin ist. Denn leider hat sich die Regel seit langen Jahren immer wieder bestätigt:
„In der Schulpolitik wird so gut wie keine Neuerung eingeführt, die nicht mindestens als Nebeneffekt eine Einsparung zur Folge hat.“ So auch hier: Letztlich läuft das auf eine Gehaltskürzung hinaus.
Ich selbst habe erst mit 40 überhaupt angefangen, ein volles Deputat zu übernehmen. Mir war von Anfang an klar: Kein Mensch kann 25 Stunden Unterricht pro Woche auf einem angemessenen Niveau vorbereiten - erst recht kein Berufsanfänger. Daher habe ich in den ersten Jahren auf 18 Stunden reduziert, später auf 20. Das hat erheblich zu einem guten Berufsstart und zur Berufszufriedenheit beigetragen. Ich habe dabei zwar 100% gearbeitet, aber letztlich auf einen guten Teil des Gehalts verzichtet - aber als Investition in meine Gesundheit war es mir das wert.
Wenn ich jetzt Berufsanfänger wäre und unter die neue Vorgriffsstundenregelung fiele, würde ich sicher auch reduzieren - und zwar nicht auf 19, sondern wieder auf 18 Stunden. Diese Regelung hat also letztlich nur zur Folge, dass sich der Gehaltsverzicht erhöht! Ich habe schwer die Vermutung, dass genau das angestrebt wird. Denn in der Benachrichtigung über die neue Regelung, die am Schwarzen Brett hing, wurde gleich darauf verwiesen, dass bis Januar der Antrag auf Reduktion im nächsten Schuljahr fristgerecht eingereicht werden müsse - eine freundliche Einladung zum Verzicht.
Ich will jetzt gar nicht darüber nachdenken, ob die jungen Kollegen 15 Jahre später ihre Stunden tatsächlich zurückbekommen werden. Denn dann werden die Politiker, die die Vorteile der Regelung jetzt für sich verbuchen können, längst pensioniert sein. Und ihre Nachfolger werden versuchen, die ererbten Schulden zu reduzieren...
Nein, mein Einwand ist viel grundsätzlicher: Was wir brauchen, ist keine Mehrarbeit, sondern Entlastung! Wenn es in der Schulpolitik um Qualität des Unterrichts ginge (konjunktivus irrealis?), müsste ganz klar das Deputat abgesenkt werden. Ich bin wirklich fest davon überzeugt:
Kein Gymnasiallehrer kann auf Dauer 25 Unterrichtsstunden pro Woche auf einem angemessenen Niveau abhalten. Daher gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: freiwillige Reduktion des Deputats (das machen viele, daher gibt es überdurchschnittlich viele Teilzeitkräfte in unserem Beruf) oder Absenkung des Aufwands, den man für den Unterricht, für die Klasse oder jeden Schüler leistet (das machen auch viele, wovon jeder ehemalige oder aktuelle Schüler ein Lied zu singen weiß ).1
Wenn ich dann auch noch derzeit im Rahmen der Pisa-Berichterstattung das Sonntagsgerede höre, in dem von vermehrten Investitionen in die Bildung die Rede ist, muss ich schwer an mich halten.

1 Ein dritter Weg, auf dem ich selbst mich ganz wohl fühle, der aber auch nicht jedermanns Sache sein kann, ist die Übernahme von Zusatzaufgaben, die mit Entlastungsstunden verbunden sind. Auch wenn die Arbeitsbelastung dadurch unterm Strich nicht weniger wird, wird der Unterricht eher besser, weil man weniger Klassen ‚im Kopf‘ haben muss.
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Arbeitszimmer

Endlich.
Ich bin erstaunt, wie wenig Presseecho das
Verfassungsgerichtsurteil ausgelöst hat. Ich bin jedenfalls froh über das Urteil, denn diese Sparpolitik hintenrum empfand ich wirklich als eine Beleidigung meines Berufsstandes.
Zwar ist die steuerliche Erstattung von Kosten für das Arbeitszimmer auch eine Krücke. Letztlich ist das ja auch eine der üblen Subventionen, die abgeschafft gehören, ähnlich wie die Pendlerpauschale. Aber wenn mir der Staat als mein Arbeitgeber keinen vernünftigen Schreibtisch an meinem Arbeitsplatz versorgen kann, dann soll doch bitte der Staat als Steuereintreiber das wenigstens anerkennen.
Jetzt gibt es Klarheit und hoffentlich ein paar Euro zurück.
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Arbeitszeitgedenktag

Es gibt den Steuerzahlergendenktag, eine interessante Erfindung des mir ansonsten sehr suspekten Bundes der Steuerzahler: Bis zu einem bestimmten Tag im Jahr (meist Anfang Juni) arbeiten alle für den Staat, danach erst beginnt die Arbeit für das eigene Portemonnaie. (Dabei wird IMHO immer polemisch außer Acht gelassen, dass der Staat ja nicht egoistisch handelt, sondern zahlreiche Einrichtungen unterhält, von denen die Steuerzahler direkt und in hohem Maße profitieren - Schulen zum Beispiel).
Anyway, vor kurzem war mein mein persönlicher Netto-Tag, von dem mein Arbeitszeit-Abrechnungs-Spreadsheet mir kündete:

1804 Zeitstunden sind vollbracht (gerechnet von August bis August) - ab jetzt mache ich Überstunden.

Zum Hintergrund ein Zitat aus einer offiziellen Verlautbarung des Kultusministeriums:
Jahresarbeitszeit
[...]. Bei einer für alle Beamtinnen und Beamte geltenden wöchentlichen
Arbeitszeit von 41 Stunden ergibt sich unter Berücksichtigung von Urlaub (6 Wochen) und Feiertagen eine Jahresarbeitszeit von 1804 Zeitstunden. Diese Jahresarbeitszeit einer Lehrerin oder eines Lehrers von 1804 Zeitstunden ist Basis aller zu erledigenden Aufgaben. [...]
(Quelle:
Landtag BW)

Vermutlich liege ich damit im Schnitt des Lehrerkollegiums, ist meine Schätzung. Ich kenne einige Lehrer, bei denen dieser Stichtag sicher deutlich früher im Jahr erreicht wurde. Es gibt natürlich auch solche Kollegen, bei denen ich vermute, dass ihr fiktiver Stichtag für dieses Jahr im nächsten Schuljahr läge. Winking
Ich jedenfalls zähle seit etwa drei Jahren meine Arbeitszeit und komme immer auf ca. 110% - das finde ich in einem Akademikerberuf mit halbwegs vernünftiger Bezahlung und sicherem Arbeitsplatz ok, auch wenn sicherlich schon die Grundbelastung mit 41 Wochenstunden recht hoch ist.
Die Streuung im Lehrerberuf ist relativ groß, in NRW kam man angeblich mal auf eine Bandbreite von 1200 bis 2400 Jahresstunden. Aber dennoch ist das 1804-Stunden-Modell eigentlich eine gute Sache. Man sollte es nur noch stärker kommunizieren, denn das alte Vorurteil mit den 12 Wochen Ferien hält sich hartnäckig.
Übrigens, ceterum censeo: Ich halte dennoch eine Senkung des Wochendeputats (und des Klassenteilers) für unbedingt notwendig! Wir sollten nicht 25, sondern wieder 23 Unterrichtsstunden pro Woche haben - nicht damit wir weniger arbeiten müssen, sondern damit wir unsere Arbeit besser machen können. Das bedeutet nämlich weniger Klassen und weniger Schüler, auf die man dann seine Arbeitszeit und -Energie konzentrieren kann.
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Lehrermythen

Irgendwann habe ich mal irgendwo gelesen, dass der typische Zeit-Leser ein Studienrat an einem Provinzgymnasium sei. Passt ja irgendwie auf mich, auch wenn ich kein Zeit-Abo habe.
Jedenfalls wird dort jetzt auch mal die Zielgruppe bedient mit einem
Artikel über das Image von Lehrern. Erstaunlich positiv, das Fazit. Versucht hier jemand, das Pendel zum Gegensteuern zu bringen?
Vieles davon stimmt sicher. Einiges finde ich aber fast zu positiv. Und ein falsches positives Berufsimage ist genau so unangenehm wie die falschen und ätzenden kritischen Vorurteile der letzten Jahrzehnte.
Nun, fast so unangenehm. Nicht ganz genau so, wenn ich ehrlich bin. Happy
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Doppelstunden

Auf unserer letzten GLK wurde beantragt, die letztes Jahr eingeführte Doppelstundenschiene in den ersten beiden Stunden wieder abzuschaffen.
Dieser Antrag und auch die Art und Weise, wie er diskutiert wurde, hat mich mal wieder völlig frustriert.
Ich finde nämlich die Doppelstundenschiene eine Erfolgsstory. Sie hilft, den langen Tag, den das G8 für viele Schüler an vielen Tagen nötig macht, abzumildern, weil sie weniger Fachwechsel und Lehrerwechsel über sich ergehen lassen müssen und auch weniger Bücher mitschleppen müssen. Außerdem ist die Atmosphäre im Haus in den ersten beiden Stunden deutlich anders als am Rest des Tages: ruhiger, konzentrierter.
Aber ganz offensichtlich kann sich ein großer Teil des Kollegiums nicht mit Doppelstunden anfreunden. Ich habe aufgrund der Argumentation in der Konferenz eine Vermutung, was den Grund angeht: Sie haben keine Lust, ihren Unterricht anzupassen. Wenn ich aber eine Doppelstunde gestalte, als wären es zwei aufeinander folgende Einzelstunden, kann es gar nicht klappen. Natürlich können die Schüler es nicht aushalten, wenn der Lehrer nun 90 statt bisher 45 Minuten an sie ranschwätzt. Kein Wunder auch, dass die Kollegen meinen, sie würden in Doppelstunden weniger Stoff schaffen als in zwei Einzelstunden. Dahinter hört man, teils sogar unverhohlen, die veraltete Idee heraus, dass man einen Lehrplan habe, den es durchzuziehen gelte. Wenn das gemacht wurde, hat der Lehrer seine Pflicht erfüllt. Sollten die Schüler dabei zu wenig gelernt haben, dann ist das ihr Problem, ausschließlich. Die Veränderungen der letzten Jahre (Kompetenzen, Standards, Verantwortung für den Lernerfolg) sind bei vielen Lehrern noch nicht angekommen, nicht mal im Ansatz. Denn dann würde man zumindest auch erwägen, dass man in Doppelstunden vielleicht tatsächlich weniger Stoff schafft, aber dafür ein weit intensiveres Lernerlebnis ermöglichen kann, sodass das Gelernte sich viel besser einprägt.
Ein Beispiel: Wenn ich vom Wilhelm Tell zwei oder drei Szenen im Lehrer-Schüler-Gespräch durchhechele, oder aber stattdessen nur eine einzige, aber diese mit den Schülern spiele und durchlebe, was wird sich wohl tiefer einprägen?

Vielleicht aber muss man auch mal ganz grundsätzlich werden und über das System der Gesamtlehrerkonferenz nachdenken. Ich erkenne so gut wie keinen Unterschied zwischen der GLK und der Personalversammlung. In einer PV ist es angebracht, über Überlastung nachzudenken und Entlastung zu fordern. Hier dürfen Lehrer ganz egoistisch ihre eigene Situation im Blick haben - und nur die. Die GLK hat nach meinem Dafürhalten auch das Große, Ganze der Schule im Blick zu haben. Da sind wir nicht als Arbeitnehmer an der Schule gefragt, sondern als Mitverantwortliche für den Lernprozess. Wenn wir hier nicht das Wohl der Schüler und der Schule genauso hoch gewichten wie unser eigenes, dann finde ich das unprofessionell.
Auf der letzten GLK wurde jedenfalls klar, dass wir bei der nächsten GLK am Schuljahresende noch einmal über die Doppelstundenschiene abstimmen. Ich musste mir gleich anschließend mal etwas von der Seele schreiben und habe eine kleine
Aufstellung der Argumente verfasst. Vielleicht hilft sie ja, genügend Kollegen zu überzeugen. Aber ich habe wenig Hoffnung.

Update:
Die Abstimmung verlief doch erfolgreich: Der Abstand fiel etwas höher aus als beim letzten Mal. Nicht viel, aber immerhin. Das Hauptargument, das die meisten Leute
überzeugte überredete: Wie stehen wir da, wenn wir jetzt die Doppelstunden abschaffen? Wir wären die einzige Schule in der ganzen Gegend ohne Doppelstundenschiene, und unser neuer Chef müsste sie im nächsten Jahr wieder einführen, zur Not an der GLK vorbei.
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Klasse 9a

Durch einen hörenswerten Podcast bei SWR2-Wissen stieß ich auf dieses Thema.
In Schweden gibt es offenbar eine Diskussion ums Schulsystem, ähnlich wie bei uns. Ein Auslöser war dort eine Doku Soap im Fernsehen: Eine unterdurchschnittliche Klasse wird ein halbes Jahr lang von den acht besten Lehrern Schwedens unterrichtet. Das Ergebnis ist exorbitant: In der zentralen Prüfung am Ende des neunten Jahrgangs schnitt die 9a als eine der besten Klassen Schwedens ab.
Kern der Veränderung in diesem Experiment waren also die Persönlichkeit der Lehrer und das Verhältnis, das sie zu ihren Schülern aufbauten.
Sehr interessant, auch hier in Deutschland könnte ich mir diese Diskussion gut vorstellen. Der Nährboden dafür ist auch bereitet, z.B. durch die
Rauin-Studie im letzten Jahr. Sicher ist auch was daran, dass wir viele Lehrer haben, die in erster Linie Fächer unterrichten, nicht Kinder. Und ich glaube auch, dass viele, sogar junge Lehrer nicht für ihren Beruf brennen.
Aber auch wenn ich die Erkenntnisse der schwedischen Serie im Prinzip sehr interessant finde, habe ich ein paar Fragen, die ich bisher nicht beantwortet bekommen habe.
Z.B: Wie viele Schüler und wie viele Stunden musste das Achter-Team sonst noch unterrichten? Egal wie charismatisch ein Lehrer ist - ich halte es für unmöglich, 25 Wochenstunden in 33er-Klassen so vorzubereiten, dass alle Schüler optimal individuell gefördert werden.
Oder: Was ist konkret durch dieses Experiment gewonnen? Vermutlich könnte man in jedem Beruf die besten Kräfte eines Landes unter optimalen Bedingungen Spitzenleistungen vollbringen lassen - Bei Fußballern, Musikern, von mir aus Architekten, sogar Müllsammlern müsste das funktionieren. Niemand kann aber erwarten, dass jeder Dorf-Fußballclub so gut spielt wie die Nationalelf. Die Erkenntnis müsste vielmehr sein: Wie fördern wir unsere Lehrer, dass sie optimale Leistung bringen können?
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