iPhone


Gestern hat Apple sein iPhone in den USA auf den Markt gebracht. Meine alten Kumpels bei www.mac-tv.de (ich werde bei denen immer noch treuherzig als Redakteur aufgelistet, obwohl ich schon lange nichts mehr gemacht habe, danke dafür!) haben eine Live-Sondersendung dazu veranstaltet. Ich erwartete nicht viel und wollte auch nicht lange zuschauen - und blieb doch kleben bis zum Ende um 2 Uhr. Es war einfach klasse.
Alex Fringes (was ist aus dem kleinen 15jährigen geworden!) war als Reporter vor Ort: am Apple-Store-Cube in Manhattan, relativ weit vorne in der Schlange, und berichtete über ein (stinknormales) Handy. Sobald er dann im Shop war, ging es richtig los. Es gab es über das w-lan des Apple-Stores per MacBook und iChat AV eine Video-Vorführung des nagelneuen iPhones und der unglaublichen Atmosphäre im Store - live und exklusiv für die Mac-TV-Gemeinde in Deutschland. Spaßig, über die iSight-Kamera zu beobachten, dass Alex umringt war von Profi-Fotografen und TV-Kameraleuten. (Denn das ist eine Erkenntnis am Rande: Willkommen im Web 2.0! Normalerweise sieht man im professionellen Fernsehen, wie Passanten den Korrespondenten umringen und zusehen, wie Profis Fernsehen machen. Hier umringen die Profis einen Amateur, der übers Netz berichtet. Mit weniger Reichweite, aber dafür schneller, spontaner und authentischer, als die traditionellen Pressemedien das zu Stande bringen.)
Aber nun zum iPhone.
Warum bleibt man für die Markteinführung eines Mobiltelefons bis zwei Uhr nachts auf? Den Vergleich mit der Mondlandung habe ich mehrmals spaßeshalber zitiert gesehen: "A small step for man..." - natürlich völlig übertrieben. Aber wenn man sich mal kurz drauf einlässt und die Apple-Welt als ein eigenes Universum begreift (was viele uns Apple-Usern ja ohnehin vorwerfen), dann ist der Vergleich keineswegs zu hoch gegriffen. Es gibt nur zwei Termine in der dreißigjährigen Geschichte der Firma, die an den gestrigen Tag herankommen: Die Vorstellung des ersten Macintosh 1984 und die des iPod 2001: "... but a giant leap for Apple."
Ich bin davon überzeugt, dass dieses Produkt den Handymarkt revolutionieren wird. Auf einmal sehen alle anderen Handys alt aus. Mein Nokia N95, eines der absolut besten Handys, die man kaufen kann, ist nagelneu - und stammt doch aus dem 20. Jahrhundert. Das iPhone ist ein Telefon aus dem 21 Jahrhundert.
Und interessant ist, wie viele das offensichtlich nicht begreifen. Spiegel Online fiel mal wieder zurück in alte Fehler bezüglich der Berichterstattung über Apple. Dort gab es vorgestern eine Auflistung von Mobiltelefonen, die das auch können, was das iPhone kann. Ja, natürlich! Aber wann versteht ihr endlich: Bei Apple-Produkten geht es nicht (alleine) darum, WAS sie können. Es geht um das WIE.
Beim iPhone handelt sich erstens um eine hervorragende und sehr praktikable Kombination von Funktionen, die jedermann auch wirklich nutzen kann und will. Und diese wird zweitens verbunden mit einem unglaublich gut durchdachten Bedienkonzept.
Viele missverstehen Design als die Kunst, die Technik eines Gerätes am Ende hübsch zu verpacken. Apple hat als eine der wenigen Computerfirmen begriffen, dass Design viel früher anfängt: Wie will der User mit dem Gerät umgehen? Wie soll es ihm entgegentreten? Der Benutzer soll so gut wie möglich vergessen, dass es überhaupt um Technik geht.
Ein einziges kleines Beispiel: Das Display meines N95 kann man flink von Hochformat zu Querformat umschalten. Wenn ein horizontales Foto im üblichen Hochkant-Display zu klein angezeigt wird, denn schiebe ich den Slider in die andere Richtung, und das Fotos erscheint im Querformat in voller Größe. Das ist sehr praktisch, und viele, denen ich so Fotos zeige, sind auch mächtig beeindruckt. Aber beim iPhone? Ich drehe das Gerät, und schwups dreht sich das Foto formatfüllend im Dispay. Ich mache also genau das, was ich früher auch getan habe, als man Fotos noch auf Stapeln von Papierabzügen betrachtet hat: einfach drehen! Wie gesagt: Der Benutzer soll gar nicht merken, dass da Technik am Werk ist.
Nun gut, ich habe mein N95 und finde das Ding nach wie vor klasse. Seit gestern habe ich auch einen Halter am Motorrad und kann es als Navi benutzen. Die Anweisungen zum Abbiegen (und auch die Musik, natürlich leise Winking) werden bei der Fahrt per Bluetooth zum Kopfhörer im Helm geschickt. Das und einiges mehr (z.B. Fotos mit 5 Megapixeln) geht mit dem iPhone noch nicht. Mein N95 kann, muss und wird mir noch ein paar Jahre lang reichen.
Aber ein bisschen kribbelt es mich doch, seit Alex gestern das iPhone vorgeführt hat. Besonders, weil Apple die Umsetzung offensichtlich wirklich überzeugend gelungen ist. Es gibt bisher keine Klagen, dass die Verarbeitung schlecht oder die Bedienung langsam wären, wie ich befürchtet hatte. Nein, das Ding ist jetzt real und keine Vision mehr, die Steve Jobs im Januar auf der Bühne gezeigt hat. Eigentlich gibt es da nur einen Reflex: "Habenwill!"
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