Mario Barth


Mir fiel durch den Zufall, zur rechten Zeit am rechten (oder doch falschen?) Ort zu sein, eine VIP-Karte zu einer Show von Mario Barth in die Hände. Eigentlich war mir schon klar, dass ich es nicht mögen werden würde. Aber ich nahm die Karte aus zwei, quasi wissenschaftlichen Winking Gründen an. Erstens war ich noch nie in der SAP-Arena und wollte das doch gerne mal sehen. Dann auch noch im VIP-Bereich mit Catering - klar, dass man da zugreift. Happy
Zweitens wollte ich doch gerne mal überprüfen, ob ich Mario Barth von seinen Fernsehauftritten her unrecht tue. Die fand ich immer ziemlich lau, aber andererseits füllt der Mann ganze Stadien respektive die ganze SAP-Arena. Irgendwas muss er doch haben, und das wollte ich ergründen.

Die Arena war offensichtlich ausverkauft - ich habe mal grob überschlagen und kam auf mindestens 15.000 Zuschauer, eher mehr. Jetzt könnte man vermuten, dass das Publikum (außer im SAP-VIP-Berich natürlich Winking) aus Prekariatsangehörigen zusammengesetzt wäre. Dem war aber auch nicht so. Hartz-IV-Empfänger werden sich die Karten nicht leisten können, viele Zuschauer lagen offensichtlich auch um einiges über dem Alter der Barth-Zielgruppe, wie ich sie eingeschätzt hätte. Nun gut, offensichtlich waren viele Barth-Fans doch dort, das konnte man im Dunkeln dann hören, wenn gelacht wurde.
Ich habe durchaus auch gelacht. Man muss Mario Barth doch ein paar Talente zugestehen. Er spielt z.B. virtuos mit dem Mikrofon, kann damit gezielt die Lautstärke setzen und gewisse - nun ja, Toneffekte erzielen. Er versteht es ziemlich gut, mit den Lippen Geräusche zu imitieren, die von anderen Körperteilen herrühren sollen - ich denke, die Andeutung sagt schon etwas aus über den Barthschen Humor. Aber auch harmlose Effekte wie Darth Vaders Geschnaufe hat er schon klasse hingekriegt, muss man ihm lassen.
Sein zweites Talent ist das Timing. Pointen werden gezielt hinausgezögert - ich persönlich finde: etwas zu lang, v.a. wenn man die Länge der Wartezeit mit der Güte einiger der Pointen in Beziehung setzt. Aber ganz offensichtlich war das Timing für die meisten im Publikum genau richtig, denn es verursachte brüllende Lachsalven.

So, und jetzt zum Inhalt. Nun gut, ich habe auch an manchen Stellen gelacht, denn ich war ja nicht als miesepetriger Zeitungskritiker gekommen und durchaus gewillt, mich zu amüsieren. Aber über das meiste konnte ich einfach nicht lachen, weil ich es kein bisschen witzig fand. Barth erzählt pointierte Anekdötchen von sich und seiner Freundin als Geschlechts-Archtypen. Das ist ok, denn Satire und Comedy kann ja auch schon mal gut funktionieren, weil das Publikum ruft: „Genau! So sind sie, die Weiber! So sind wir, wir Kerle!“ Aber dieses Gefühl stellte sich bei mir nur ganz selten ein, denn solche Weiber kenne ich nicht, und so ein Kerl bin ich nicht. Frauen brauchen drei Stunden, um sich bettfertig zu machen, Männer ziehen nur die Schuhe aus. Männer interessieren sich nur für Saufen und Autos, Frauen nur fürs Shoppen - so einfach, so vorhersehbar ist die Welt. Nun ja, vermutlich gehöre ich ganz einfach nicht zur Zielgruppe, vielleicht ist Barth ja ein Dieter Nuhr für die Unterschicht.
Ein Detail fand ich erst verwirrend, dann enttäuschend für Deutschlands erfolgreichsten Comedian: Barth weicht offensichtlich (das lässt sich ja im Youtube-Zeitalter leicht überprüfen) kein Jota von seiner einstudierten Show ab, um auf das Publikum, den aktuellen Zeitpunkt und die Location einzugehen. Ein lauer Witz über Reich-Ranitzkis Ablehnung des Fernsehpreises, das war’s. Und ‚Nussloch‘, das im Barth-Programm ein witziges Synonym für Outletcenter-Schnäppchenjagd ist, liegt ganz in der Nähe - man könnte es vom Dach der SAP-Arena aus fast sehen. Denkste, darauf wäre er auch nur in einem Halbsatz eingegangen? Fehlanzeige, enttäuschend.
Mein Fazit nach dem ‚wissenschaftlichen‘ Experiment mit Mario Barth: Ich verstehe das Phänomen nach wie vor nicht.
Dass ich ihn nicht mochte, hat mich nicht überrascht. Aber überrascht hat mich dies: Normalerweise bin ich sehr gut darin zu verstehen, was andere an einem Menschen faszinieren kann. Ich kann nachvollziehen, wenn auch nicht teilen, was die Leute an Helge Schneider, Hansi Hinterseer, Jörg Haider fasziniert - die Liste ließe sich fortsetzen. Ich könnte auch verstehen, dass Mario Barth als Kleinkünstler durch zweitrangige Clubs und Kneipen zieht. Aber er ist ein Kleinkünstler im Sinne von ‚klein‘. Warum so viele Leute ihn so witzig finden, dass sie ganze Stadien füllen, entzieht sich meinem Verständnis, auch nachdem ich es erlebt habe.
Übrigens: Das Essen im VIP-Bereich und die SAP-Arena selbst haben sich wirklich gelohnt. Wenigstens das. Happy

UPDATE:
Auch andere, weit Berufenere, teilen offensichtlich meine Meinung, wie Heinz Strunk, der sich im Spiegel-Gespräch äußert.
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Marcel und Thomas

Jetzt duzen sie sich - aber das war nicht das einzige, was sehr gekünstelt wirkte an dem Fernsehkritik-Gipfel von Thomas Gottschalk und Marcel Reich-Ranitzki.
Ein sehr interessantes Geschehen war das diese Woche. Ich habe doch glatt nach den Vorab-Meldungen des Eklats die Verleihung des Deutschen Fernsehpreises aufgezeichnet - hätte ich sonst nie angeguckt. Gut, dass ich sie nicht live gesehen habe, denn sie ließ sich tatsächlich nur zappenderweise ertragen. Ich kann Ranitzkis Genervtheit gut verstehen, der die Veranstaltung live erdulden musste und nicht wie ich am Festplattenrekorder vorspulen konnte.
Und dann die Auszeichnungen! Einige Sendungen hatte ich sogar gesehen und konnte die Nominierung für den Fernsehpreis gut nachvollziehen, wie im Fall der Doku über Kinderarbeit in Indien oder bei dem Fernsehfilm über die Liebe zwischen einem Stasi-Offizier und seiner Gefangenen. Natürlich musste man die Produktionen schon gesehen haben, um in den kurzen Auschnittschnipseln die Güte erkennen zu können. Und vermutlich tue ich dieser RTL-Doktor-Serie unrecht, wenn ich mir nicht vorstellen kann, dass sie preiswürdig sein könnte; aber bei „Deutschland sucht den Superstar“ kann es doch gar nicht sein, dass es keine Unterhaltungssendung gibt, die den Preis mehr verdient hätte als diese zynische, menschenverachtende Gefühlsmaschine!
Nun gut, ich hatte die ganze Show ja nur für zehn Minuten Reich-Ranitzki aufgezeichnet, und die lohnten sich in der Tat! Ranitzkis Rede war klasse, fast noch beeindruckender war Gottschalks souveräne Reaktion darauf. Und sehr amüsant war es, die namhaften TV-Gesichter im Publikum zu betrachten, das nicht recht verstand und/oder nicht recht glauben wollte, was es da erlebte. Herrlich, wenn man als Zuschauer bei dieser angekündigten Aufkündigung ja im Informations-Vorteil war.

Die aus dem Eklat entstandene kleine Talkrunde am Freitag Abend zwischen Gottschalk und Reich-Ranitzki war dann, wie zu erwarten, wenig ergiebig. Ich kann die Intendanten gut verstehen, dass sie sich dafür nicht hergaben mit dem Argument: „Reich-Ranitzki würde auch nicht mit Leuten diskutieren, die nicht lesen - wir sprechen nicht öffentlich mit jemandem, der von Fernsehen nichts versteht.“ Ranitzkis Vorschlag, Shakespeare und Brecht als Rettung des Fernsehens einzusetzen, wirkt in der Tat lächerlich. Aber er hat ihn ja ganz anders gemeint und hatte nur viel zu wenig Sachkenntnis, um ihn überzeugender zu formulieren: Shakespeare und Brecht hatten zu ihrer Zeit bewiesen, dass sich geistvolle Unterhaltung machen lässt - warum kann das heute keiner? Ganz einfach: Weil sich keiner traut.
Wie klasse wäre der Abend geworden, wenn man statt des greisen Literaturpapstes den ausgewiesenen Fernsehfachmann Oliver Kalkofe eingeladen hätte. Man hätte eigentlich nur seine Rede von den Medientagen 2007 auszustrahlen brauchen.
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Bahn-Kalender

Eine sehr nette Entdeckung: Ich suchte eine Bahnverbindung und ärgerte mich gerade über die etwas unübersichtliche Darstellung der Suchergebnisse auf der Website www.bahn.de, als mir ein Link ins Auge stach: ‚In Kalender eintragen‘.

Wenn man darauf klickt, lädt man eine .ics-Datei herunter, die sich mit einem weiteren Doppelklick in iCal (und vermutlich auch in Outlook oder sonstwohin) importieren lässt. Alle Informationen wie Abfahrtszeiten und -gleise stehen dann im Kalender und werden somit auch automatisch aufs Handy übertragen, für unterwegs. Klasse Service, Daumen hoch!
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Deutschunterricht

„Du, Papa, hast du heute auch eine Deutschklasse?“
„Ja, ich habe heute meine 9er, wieso?“
„Bei welchem Buchstaben seid ihr gerade?“
- Süüüß!
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Bankenkrise

Ich weiß noch nicht recht, wie die Zukunft aussehen wird. Aber eins ist ziemlich klar: anders.
Der Oktober 2008 könnte ähnlich in die Geschichte eingehen wie der November 1989 oder der 11. September 2001. Wir werden unterscheiden: vor oder nach der Finanzkrise.
1989 brach der Kommunismus zusammen, und niemand konnte mehr so einfach ein sozialistisches Paradies versprechen. Danach herrschte eine Art Orientierungslosigkeit, denn die klare Konfrontation von Ost und West war weggefallen. 2001 wurde deutlich, welcher Art die Konflikte sein würden, die uns in Zukunft beschäftigen würden: Keine politischen Systeme und Großmächte, sondern Kulturen, Emotionen, Fanatiker, keine Bedrohung durch Armeen, sondern durch Terror.
Und jetzt ein neues Kapitel: Nach dem Sozialismus hat nun auch der Kapitalismus versagt. So bald kann nun niemand mehr ernsthaft behaupten, der Markt sei die Lösung. Die Wirtschaft sei das Maß aller Dinge, alles müsse sich wirtschaftlich erklären und regeln lassen. Ein guter Staat ist schlank und hält sich raus, überlässt die Wirtschaft den Gesetzen des Marktes. Ich habe das so lange und so intensiv gehört, dass ich es fast selbst geglaubt habe. Und nun rufen alle auf einmal nach dem schützenden Arm des starken Staates, sogar „Mister 25-Prozent-Kapitalrendite“, Josef Ackermann - ist das Sinneswandel oder Zynismus?
Noch ein Gedanke: Mir ist die Linkspartei überhaupt nicht sympathisch. Aber sie mutet derzeit ähnlich an wie die Grünen in ihren Anfängen Ende der 70er: Die ersten, die ein wichtiges Thema politisch besetzen. Damals war es die Verantwortung des Menschen für die Natur und ihre Zukunft - dreißig Jahre später ist in diesem Sinne jede Partei in Deutschland grün. Und nun sprechen die Linken als einzige deutlich an, dass wir ein Problem mit der Sozialen Gerechtigkeit haben. Ob man in dreißig Jahren auch rätseln wird, wie man dieses wichtige Thema je so vernachlässigen konnte? (Die einzigen, die das Thema auch schon seit Jahren ansprechen, sind die Kirchen. Aber auf die hört ja keiner - außer meinen Grundkurs-Reli-Schülern, die ich dazu zwinge, die Sozialenzykliken der Päpste zu studieren.)
Ich bin sehr gespannt, ob die „Markt!“-Schreier wieder aus ihren Löchern kriechen werden. Derzeit wirken sie nur lächerlich, wie z.B. ein FDP-Politiker im Interview mit einem Berliner Sender:
Moderator: Die FDP hat jahrelang immer wieder argumentiert, man solle dem Markt vertrauen und sich nicht einmischen. Jetzt haben wir gesehen, was dabei herauskommt. Ist die FDP, sind Sie jetzt schlauer?

Koppelin: Der Markt ist in Ordnung, das ist, liegt ja teilweise … überwiegend auch an den Managern. [...] Dann hat man unglaublich vielen Menschen billige Hypotheken angedreht, die sie anschließend nicht bezahlen konnten, und unsere Banken, unsere Manager der Banken, sind auf diese Geschichte, diese Geschäfte reingefallen.

Moderator: Das ist doch der Markt.

Herr Koppelin redet dann zwar noch weiter, aber eine Antwort bleibt er schuldig. Schöne Kommentare entlarven diesen Unsinn: »Der Straßenverkehr läuft wie geschmiert, die Leute fahren nur wie Sau«, »Die Artenvielfalt ist nicht bedroht, die Viecher sterben einfach weg«. *LOL*
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