Mario Barth
19.10.08 Kategorien:Fernsehen
Mir fiel durch den Zufall, zur rechten Zeit am rechten (oder doch falschen?) Ort zu sein, eine VIP-Karte zu einer Show von Mario Barth in die Hände. Eigentlich war mir schon klar, dass ich es nicht mögen werden würde. Aber ich nahm die Karte aus zwei, quasi wissenschaftlichen Gründen an. Erstens war ich noch nie in der SAP-Arena und wollte das doch gerne mal sehen. Dann auch noch im VIP-Bereich mit Catering - klar, dass man da zugreift.
Zweitens wollte ich doch gerne mal überprüfen, ob ich Mario Barth von seinen Fernsehauftritten her unrecht tue. Die fand ich immer ziemlich lau, aber andererseits füllt der Mann ganze Stadien respektive die ganze SAP-Arena. Irgendwas muss er doch haben, und das wollte ich ergründen.
Die Arena war offensichtlich ausverkauft - ich habe mal grob überschlagen und kam auf mindestens 15.000 Zuschauer, eher mehr. Jetzt könnte man vermuten, dass das Publikum (außer im SAP-VIP-Berich natürlich ) aus Prekariatsangehörigen zusammengesetzt wäre. Dem war aber auch nicht so. Hartz-IV-Empfänger werden sich die Karten nicht leisten können, viele Zuschauer lagen offensichtlich auch um einiges über dem Alter der Barth-Zielgruppe, wie ich sie eingeschätzt hätte. Nun gut, offensichtlich waren viele Barth-Fans doch dort, das konnte man im Dunkeln dann hören, wenn gelacht wurde.
Ich habe durchaus auch gelacht. Man muss Mario Barth doch ein paar Talente zugestehen. Er spielt z.B. virtuos mit dem Mikrofon, kann damit gezielt die Lautstärke setzen und gewisse - nun ja, Toneffekte erzielen. Er versteht es ziemlich gut, mit den Lippen Geräusche zu imitieren, die von anderen Körperteilen herrühren sollen - ich denke, die Andeutung sagt schon etwas aus über den Barthschen Humor. Aber auch harmlose Effekte wie Darth Vaders Geschnaufe hat er schon klasse hingekriegt, muss man ihm lassen.
Sein zweites Talent ist das Timing. Pointen werden gezielt hinausgezögert - ich persönlich finde: etwas zu lang, v.a. wenn man die Länge der Wartezeit mit der Güte einiger der Pointen in Beziehung setzt. Aber ganz offensichtlich war das Timing für die meisten im Publikum genau richtig, denn es verursachte brüllende Lachsalven.
So, und jetzt zum Inhalt. Nun gut, ich habe auch an manchen Stellen gelacht, denn ich war ja nicht als miesepetriger Zeitungskritiker gekommen und durchaus gewillt, mich zu amüsieren. Aber über das meiste konnte ich einfach nicht lachen, weil ich es kein bisschen witzig fand. Barth erzählt pointierte Anekdötchen von sich und seiner Freundin als Geschlechts-Archtypen. Das ist ok, denn Satire und Comedy kann ja auch schon mal gut funktionieren, weil das Publikum ruft: „Genau! So sind sie, die Weiber! So sind wir, wir Kerle!“ Aber dieses Gefühl stellte sich bei mir nur ganz selten ein, denn solche Weiber kenne ich nicht, und so ein Kerl bin ich nicht. Frauen brauchen drei Stunden, um sich bettfertig zu machen, Männer ziehen nur die Schuhe aus. Männer interessieren sich nur für Saufen und Autos, Frauen nur fürs Shoppen - so einfach, so vorhersehbar ist die Welt. Nun ja, vermutlich gehöre ich ganz einfach nicht zur Zielgruppe, vielleicht ist Barth ja ein Dieter Nuhr für die Unterschicht.
Ein Detail fand ich erst verwirrend, dann enttäuschend für Deutschlands erfolgreichsten Comedian: Barth weicht offensichtlich (das lässt sich ja im Youtube-Zeitalter leicht überprüfen) kein Jota von seiner einstudierten Show ab, um auf das Publikum, den aktuellen Zeitpunkt und die Location einzugehen. Ein lauer Witz über Reich-Ranitzkis Ablehnung des Fernsehpreises, das war’s. Und ‚Nussloch‘, das im Barth-Programm ein witziges Synonym für Outletcenter-Schnäppchenjagd ist, liegt ganz in der Nähe - man könnte es vom Dach der SAP-Arena aus fast sehen. Denkste, darauf wäre er auch nur in einem Halbsatz eingegangen? Fehlanzeige, enttäuschend.
Mein Fazit nach dem ‚wissenschaftlichen‘ Experiment mit Mario Barth: Ich verstehe das Phänomen nach wie vor nicht.
Dass ich ihn nicht mochte, hat mich nicht überrascht. Aber überrascht hat mich dies: Normalerweise bin ich sehr gut darin zu verstehen, was andere an einem Menschen faszinieren kann. Ich kann nachvollziehen, wenn auch nicht teilen, was die Leute an Helge Schneider, Hansi Hinterseer, Jörg Haider fasziniert - die Liste ließe sich fortsetzen. Ich könnte auch verstehen, dass Mario Barth als Kleinkünstler durch zweitrangige Clubs und Kneipen zieht. Aber er ist ein Kleinkünstler im Sinne von ‚klein‘. Warum so viele Leute ihn so witzig finden, dass sie ganze Stadien füllen, entzieht sich meinem Verständnis, auch nachdem ich es erlebt habe.
Übrigens: Das Essen im VIP-Bereich und die SAP-Arena selbst haben sich wirklich gelohnt. Wenigstens das.
UPDATE:
Auch andere, weit Berufenere, teilen offensichtlich meine Meinung, wie Heinz Strunk, der sich im Spiegel-Gespräch äußert.