Mär 2009
Winnenden
14.03.09 Kategorien:Schule
Ich müsste eigentlich was schreiben zu dem Thema, aber mir fällt nichts Rechtes ein. Nichts Strukturiertes, gut Durchdachtes zumindest. Ich scheine damit nicht alleine zu sein, denn was man liest und hört, sind großteils Betroffenheitsphrasen oder hilfloses Zeug oder beides gleichzeitig.
Also halte ich es mit Herrn Rau und tippe Unzusammenhängendes.
Habe jetzt zwei Tage lang alles zu dem Thema gelesen, geschaut, gehört und mit insgesamt sechs Klassen dieses Thema aufgearbeitet. Es stellte sich am Ende eine gewisse Routine ein, und ich habe mich (erfolgreich, denke ich) konzentrieren müssen, um eine Atmosphäre von authentischer Betroffenheit herstellen zu können. Die Schüler selbst meldeten gar nicht so großen Gesprächsbedarf an, aber ein wenig Bohren machte dann deutlich, dass das bei vielen auch eine Art von Bewältigungsstrategie ist: In so einer großen Gruppe redet man nicht darüber, weil es vielleicht zu nahe geht.
Ein paar Aspekte konnte ich aber, denke ich, für die Schüler und mit ihnen erhellen. So waren sie dankbar für die Erklärung, dass der griffige Begriff ‚Amoklauf’ gar nicht so richtig trifft, weil die Taten in Littleton, Erfurt, Emsdetten und Winnenden rational und langfristig geplant waren. Viel genauer ist der sperrige Fachbegriff „erweiterter Suizid“. Denn kaum ein Amokläufer wird festgenommen, sondern die Selbsttötung oder der ‚suicide by cop‘ (die Provokation der Tötung durch die Polizei) gehört zum Plan. Der Entschluss zum eignen Ende steht vermutlich sogar am Anfang, und erst dann wächst in der Fantasie das Szenario, möglichst viele und möglichst ‚die Schuldigen‘ auf den Weg in den Tod mitzunehmen.
In einigen Klassen, vor allem den höheren und solchen, bei denen ich mir einer guten Verständnisbasis sicher war, habe ich auch mal gedanklich und gefühlt durchgespielt: Was ist das Faszinierende daran? Wo liegt der ‚Kick’? Ich glaube niemandem, dass er nicht irgendwo tief in sich drin den Gedanken nachvollziehen kann: Die absolute Macht in der Situation, die Fähigkeit, über Tod und Weiterleben zu entscheiden, nach Lust und Laune, muss ein sehr intensives Erlebnis sein. Ein Glück nur, dass bei den meisten Menschen doch der Skrupel überwiegt. Denn nach der Faszination kommt gleich die Frage: Mit welchem Recht maßt sich dieses Arschloch diese Macht an? An dieser Stelle kippt mein Ansatz von Verständnis in völlig unverständige Wut: Kein erlittenes Unrecht, keine Demütigung kann rechtfertigen, dass man das Leben von völlig Unbeteiligten auslöscht und Eltern ihre Kinder entreißt.
Dennoch merke ich, dass mich das Thema persönlich nicht mehr so sehr betrifft. Nicht so sehr wie Erfurt vor sieben Jahren. Denn die Gutenberg-Schule kannte ich persönlich, zumindest von außen. Und ganz wichtig: Damals wurden gezielt Lehrer getötet. Zwei Schüler und die Sekretärin waren mehr oder weniger zufällig unter den Opfern, aber zwölf Lehrer wurden regelrecht hingerichtet. Ich war damals ein junger Lehrer, den diese Erkenntnis (sowie übrigens die weitgehende Nichtbeachtung dieser Erkenntnis in der Öffentlichkeit) sehr nachdenklich gemacht hat.
Inzwischen habe ich mir auch ein wenig Fatalismus und Zynismus angeeignet. Wie soll man so etwas verhindern? Sicherung der Schulen, Verschärfung der Waffengesetze, Verbot von Ballerspielen - alles das ist unmöglich oder unnütz. Ein sicheres Erkennen der Signale, die sich im Nachhinein so deutlich darstellen (unauffällig, in sich gekehrt, Einzelgänger, fasziniert von Waffen und Gewalt etc) ist nicht möglich oder rechtfertigt nicht das konkrete Eingreifen - wie viele solcher Typen sind mir schon begegnet? Das reicht für mehrere Massaker, die zum Glück nicht stattgefunden haben. Also bleibt eigentlich nur die Erkenntnis: Hinnehmen. In Deutschland sterben jedes Jahr ziemlich genau 5000 Menschen im Straßenverkehr, also jeden Tag ähnlich viele jetzt in Winnenden. Trotzdem fahre ich Auto und Fahrrad.
Ich muss meinen Job weitermachen in dem Bewusstsein: Ich leiste sehr sinnvolle Arbeit, weil ich einer riesigen Anzahl von jungen Menschen helfe, Bildung und Orientierung im Leben zu erlangen.
Also halte ich es mit Herrn Rau und tippe Unzusammenhängendes.
Habe jetzt zwei Tage lang alles zu dem Thema gelesen, geschaut, gehört und mit insgesamt sechs Klassen dieses Thema aufgearbeitet. Es stellte sich am Ende eine gewisse Routine ein, und ich habe mich (erfolgreich, denke ich) konzentrieren müssen, um eine Atmosphäre von authentischer Betroffenheit herstellen zu können. Die Schüler selbst meldeten gar nicht so großen Gesprächsbedarf an, aber ein wenig Bohren machte dann deutlich, dass das bei vielen auch eine Art von Bewältigungsstrategie ist: In so einer großen Gruppe redet man nicht darüber, weil es vielleicht zu nahe geht.
Ein paar Aspekte konnte ich aber, denke ich, für die Schüler und mit ihnen erhellen. So waren sie dankbar für die Erklärung, dass der griffige Begriff ‚Amoklauf’ gar nicht so richtig trifft, weil die Taten in Littleton, Erfurt, Emsdetten und Winnenden rational und langfristig geplant waren. Viel genauer ist der sperrige Fachbegriff „erweiterter Suizid“. Denn kaum ein Amokläufer wird festgenommen, sondern die Selbsttötung oder der ‚suicide by cop‘ (die Provokation der Tötung durch die Polizei) gehört zum Plan. Der Entschluss zum eignen Ende steht vermutlich sogar am Anfang, und erst dann wächst in der Fantasie das Szenario, möglichst viele und möglichst ‚die Schuldigen‘ auf den Weg in den Tod mitzunehmen.
In einigen Klassen, vor allem den höheren und solchen, bei denen ich mir einer guten Verständnisbasis sicher war, habe ich auch mal gedanklich und gefühlt durchgespielt: Was ist das Faszinierende daran? Wo liegt der ‚Kick’? Ich glaube niemandem, dass er nicht irgendwo tief in sich drin den Gedanken nachvollziehen kann: Die absolute Macht in der Situation, die Fähigkeit, über Tod und Weiterleben zu entscheiden, nach Lust und Laune, muss ein sehr intensives Erlebnis sein. Ein Glück nur, dass bei den meisten Menschen doch der Skrupel überwiegt. Denn nach der Faszination kommt gleich die Frage: Mit welchem Recht maßt sich dieses Arschloch diese Macht an? An dieser Stelle kippt mein Ansatz von Verständnis in völlig unverständige Wut: Kein erlittenes Unrecht, keine Demütigung kann rechtfertigen, dass man das Leben von völlig Unbeteiligten auslöscht und Eltern ihre Kinder entreißt.
Dennoch merke ich, dass mich das Thema persönlich nicht mehr so sehr betrifft. Nicht so sehr wie Erfurt vor sieben Jahren. Denn die Gutenberg-Schule kannte ich persönlich, zumindest von außen. Und ganz wichtig: Damals wurden gezielt Lehrer getötet. Zwei Schüler und die Sekretärin waren mehr oder weniger zufällig unter den Opfern, aber zwölf Lehrer wurden regelrecht hingerichtet. Ich war damals ein junger Lehrer, den diese Erkenntnis (sowie übrigens die weitgehende Nichtbeachtung dieser Erkenntnis in der Öffentlichkeit) sehr nachdenklich gemacht hat.
Inzwischen habe ich mir auch ein wenig Fatalismus und Zynismus angeeignet. Wie soll man so etwas verhindern? Sicherung der Schulen, Verschärfung der Waffengesetze, Verbot von Ballerspielen - alles das ist unmöglich oder unnütz. Ein sicheres Erkennen der Signale, die sich im Nachhinein so deutlich darstellen (unauffällig, in sich gekehrt, Einzelgänger, fasziniert von Waffen und Gewalt etc) ist nicht möglich oder rechtfertigt nicht das konkrete Eingreifen - wie viele solcher Typen sind mir schon begegnet? Das reicht für mehrere Massaker, die zum Glück nicht stattgefunden haben. Also bleibt eigentlich nur die Erkenntnis: Hinnehmen. In Deutschland sterben jedes Jahr ziemlich genau 5000 Menschen im Straßenverkehr, also jeden Tag ähnlich viele jetzt in Winnenden. Trotzdem fahre ich Auto und Fahrrad.
Ich muss meinen Job weitermachen in dem Bewusstsein: Ich leiste sehr sinnvolle Arbeit, weil ich einer riesigen Anzahl von jungen Menschen helfe, Bildung und Orientierung im Leben zu erlangen.
|
Mahnung
14.03.09 Kategorien:Familienleben
Stadtarchiv-Maus
14.03.09 Kategorien:Fernsehen
(Bild: Die Sendung mit der Maus - WDR)
Am 15. Februar kam in der Sendung mit der Maus ein sehr interessanter Beitrag, in dem gezeigt wurde, wie beim Kölner U-Bahn-Bau das Grundwasser abgepumpt wird. Malin kletterte in die Grube beim Stadtarchiv hinunter, um sich die Technik der Rohre und Pumpen erklären zu lassen.
Am 3. März kollabierte genau diese Baugrube. Das riesige Gebäude darüber stürzte in den Krater und begrub zwei Menschen sowie unschätzbar wertvolle Dokumente unter sich - u.a. den kompletten Nachlass von Heinrich Böll. Vermutlich sind diese Dokumente durch das Grundwasser vollständig zerstört - in dem Beitrag wurde schließlich eindrucksvoll geschildert, dass ohne die Pumpen der Grundwasserspiegel 10m über dem Boden der Grube stünde...
Wir haben diese Sendung erst heute wieder einmal angesehen. Ich hatte zwar gleich nach dem Einsturz überlegt, aus Neugierde noch mal hineinzuschauen. Aber irgendwie hatte ich eine Scheu. Sehr berechtigt, denn dass es sich um genau die nämliche Baustelle handelt, das ist schon irgendwie makaber.