Bankenkrise

Ich weiß noch nicht recht, wie die Zukunft aussehen wird. Aber eins ist ziemlich klar: anders.
Der Oktober 2008 könnte ähnlich in die Geschichte eingehen wie der November 1989 oder der 11. September 2001. Wir werden unterscheiden: vor oder nach der Finanzkrise.
1989 brach der Kommunismus zusammen, und niemand konnte mehr so einfach ein sozialistisches Paradies versprechen. Danach herrschte eine Art Orientierungslosigkeit, denn die klare Konfrontation von Ost und West war weggefallen. 2001 wurde deutlich, welcher Art die Konflikte sein würden, die uns in Zukunft beschäftigen würden: Keine politischen Systeme und Großmächte, sondern Kulturen, Emotionen, Fanatiker, keine Bedrohung durch Armeen, sondern durch Terror.
Und jetzt ein neues Kapitel: Nach dem Sozialismus hat nun auch der Kapitalismus versagt. So bald kann nun niemand mehr ernsthaft behaupten, der Markt sei die Lösung. Die Wirtschaft sei das Maß aller Dinge, alles müsse sich wirtschaftlich erklären und regeln lassen. Ein guter Staat ist schlank und hält sich raus, überlässt die Wirtschaft den Gesetzen des Marktes. Ich habe das so lange und so intensiv gehört, dass ich es fast selbst geglaubt habe. Und nun rufen alle auf einmal nach dem schützenden Arm des starken Staates, sogar „Mister 25-Prozent-Kapitalrendite“, Josef Ackermann - ist das Sinneswandel oder Zynismus?
Noch ein Gedanke: Mir ist die Linkspartei überhaupt nicht sympathisch. Aber sie mutet derzeit ähnlich an wie die Grünen in ihren Anfängen Ende der 70er: Die ersten, die ein wichtiges Thema politisch besetzen. Damals war es die Verantwortung des Menschen für die Natur und ihre Zukunft - dreißig Jahre später ist in diesem Sinne jede Partei in Deutschland grün. Und nun sprechen die Linken als einzige deutlich an, dass wir ein Problem mit der Sozialen Gerechtigkeit haben. Ob man in dreißig Jahren auch rätseln wird, wie man dieses wichtige Thema je so vernachlässigen konnte? (Die einzigen, die das Thema auch schon seit Jahren ansprechen, sind die Kirchen. Aber auf die hört ja keiner - außer meinen Grundkurs-Reli-Schülern, die ich dazu zwinge, die Sozialenzykliken der Päpste zu studieren.)
Ich bin sehr gespannt, ob die „Markt!“-Schreier wieder aus ihren Löchern kriechen werden. Derzeit wirken sie nur lächerlich, wie z.B. ein FDP-Politiker im Interview mit einem Berliner Sender:
Moderator: Die FDP hat jahrelang immer wieder argumentiert, man solle dem Markt vertrauen und sich nicht einmischen. Jetzt haben wir gesehen, was dabei herauskommt. Ist die FDP, sind Sie jetzt schlauer?

Koppelin: Der Markt ist in Ordnung, das ist, liegt ja teilweise … überwiegend auch an den Managern. [...] Dann hat man unglaublich vielen Menschen billige Hypotheken angedreht, die sie anschließend nicht bezahlen konnten, und unsere Banken, unsere Manager der Banken, sind auf diese Geschichte, diese Geschäfte reingefallen.

Moderator: Das ist doch der Markt.

Herr Koppelin redet dann zwar noch weiter, aber eine Antwort bleibt er schuldig. Schöne Kommentare entlarven diesen Unsinn: »Der Straßenverkehr läuft wie geschmiert, die Leute fahren nur wie Sau«, »Die Artenvielfalt ist nicht bedroht, die Viecher sterben einfach weg«. *LOL*