Damit ihr Hoffnung habt
20.05.10 Kategorien:Allgemeines
Doch noch ein paar Gedanken zum Kirchentag, bevor der wieder Geschichte ist.
Es war nass und kalt und anstrengend, denn wir sind ja selbst gefahren und nächtigten im Matratzenlager in einer Schule. Aber das war’s auch schon an Negativem: Die Sache war rundum lohnend, gewinnbringend, inspirierend.
Hier ein paar Gedanken, die sich erst fast eine Woche später ein bisschen sortieren:
Gruppe
Die 18 Acht- und Zehntklässler bildeten eine richtig gute Truppe. Sie waren sehr freundlich und lustig und (im Wesentlichen) auch zuverlässig. Wir Lehrer bekamen gleich eine mit Tischen abgegrenzte Ecke im Klassenzimmer für uns, und die Unterbringung war wirklich gut erträglich. Dazu noch lag die Schule genial: Gleich neben der U-Bahn-Station Innsbrucker Ring, von der aus man ohne Umsteigen ins Messezentrum und zur Teresienwiese fahren konnte.
Käßmann
Der unumstrittene Star des Kirchentags, der regelrecht kultische Verehrung erfuhr. Nun, da ich sie gleich zwei Mal live erlebt habe, kann ich noch besser nachvollziehen, welche Faszination von ihr ausgeht. Ohne dass ich mich wirklich von der Euphorie um ihre Person hätte anstecken lassen, muss ich doch deutlich feststellen: Ich habe noch nie einen beeindruckenderen Redner als Margot Käßmann gehört. Nicht nur hat sie etwas zu sagen, nicht nur kann sie brillant formulieren, nicht nur baut sie ihre Reden mit perfektem Timing auf, sondern vor allem verbindet sie all das mit einem unglaublichen Gespür für ihr Publikum. Ein symptomatisches Erlebnis: An einer Stelle unterbrach sie ihre Rede spontan, weil es wohl doch etwas länger geriet als gedacht. Als dann auf ihren Wunsch hin die 4000 Zuhörer aufstanden und ein Hoffnungslied aus Taizé anstimmten, passte die ganze Atmosphäre so wunderbar, dass mir fast die Tränen in den Augen standen.
A-Promis
Überhaupt war das eine interessante Erkenntnis, die man fast nur hier machen kann, denn wann hat man mal so viele wirklich prominente und kundige Redner auf einem Fleck? Auf einem Podium gab es u.a. einen Soziologen und einen Religionspädagogen, beides kluge und eloquente Menschen mit einer Botschaft. Aber sie wurden in den Schatten gestellt von Gesine Schwan, die, auch wenn man ihrer Grundlinie vielleicht gar nicht zustimmt, einfach nur beeindrucken kann mit blitzschneller Auffassungs- und ebensolcher Formulierungsgabe. Meine Erkenntnis: Ein A-Promi unterscheidet sich von einem B-Promi nicht durch die Boschaft, sondern durch die Fähigkeit, sie auf den Punkt zu bringen.
Laien
Eine ähnlich gelagerte Erkenntnis ergab sich diesbezüglich im Vergleich der Kirchen. Kurz: Die Protestanten haben die deutlich interessanteren und profilierteren Laien. Um zu verstehen, was ich meine, musste man nur Alois Glück vom ZK der Katholiken neben dem evangelischen Kirchentagspräsidenten Eckart Nagel sehen. Glück wirkt wie ein Pfarrgemeinderatsvorsitzender, dem Klerus unterstellt; Nagel dagegen stellt einen selbstbewussten und ebenbürtigen Partner der bischöflichen Amtskirche dar.
Ökumene
Vielleicht ist es, ein bisschen frech formuliert, gerade das, was die katholische Kirche den ökumenischen Kirchentagen gegenüber so skeptisch macht: die Angst, dass sich ihre katholischen Schäfchen zu sehr vom Selbstbewusstsein der evangelischen Laien anstecken lassen.
Aber ich muss zugeben, dass ich erst jetzt angefangen habe, wirklich ganz zu begreifen, was Ökumene soll. Bisher war mir der ökumenische Gedanke nicht wirklich wichtig. Ich habe keine Probleme damit, aber ein Herzensanliegen war er mir nicht. Erst hier in München habe ich gespürt, wie sehr sich die Kirchen befruchten können, wie groß die Gemeinsamkeiten sind und wie schön und wichtig es wäre, wenn man diese Gemeinsamkeit auch als echte Gemeinschaft feiern könnte - nämlich beim Mahl des Herrn. Ich habe eine echte Hoffnung mitgenommen, dass der Weg bis dahin gar nicht mehr so weit ist. Wenn man das jahrhundertealte Streitthema der Rechtfertigungslehre bereinigen konnte, warum dann nicht das vom Amts- und Sakramentsverständnis?
Für mich persönlich bedeutet das auch, dass ich mir vorgenommen habe, unsere gemischt-konfessionelle Ehe auch wieder ernster zu nehmen und als Chance zu begreifen.
Krise
Ebenfalls als Chance begreifen lässt sich die derzeitige Kirchenkrise. Die Aufdeckung der Missbrauchsfälle (und deren jahrzehntelange Vertuschung) bringt einen riesigen Vertrauensverlust und massenhaft Austritte. Aber der Kirchentag war ein Zeichen, eine regelrechte Demonstration: 160.000 Menschen stellen sich hier hin und sagen: Uns ist unsere Religion wichtig, wir treten nicht aus, sondern setzen uns aktiv ein.
Und ich will nur hoffen, dass auch die katholische Amtskirche nicht mehr lange weiter machen kann auf dem Weg zur ‚Kirche des heiligen Restes‘, der dann übrigbleibt, wenn alle kritischen Geister ihr den Rücken gekehrt haben. Nein, diese Krise könnte auch eine Chance sein, dass man endlich kapiert, dass man mit den sog. Laien rechnen muss. Wenn das der Fall wäre, dann hätte die schreckliche Geschichte um Missbrauchsopfer am Ende doch einen guten Sinn gezeitigt.
Es war nass und kalt und anstrengend, denn wir sind ja selbst gefahren und nächtigten im Matratzenlager in einer Schule. Aber das war’s auch schon an Negativem: Die Sache war rundum lohnend, gewinnbringend, inspirierend.
Hier ein paar Gedanken, die sich erst fast eine Woche später ein bisschen sortieren:
Gruppe
Die 18 Acht- und Zehntklässler bildeten eine richtig gute Truppe. Sie waren sehr freundlich und lustig und (im Wesentlichen) auch zuverlässig. Wir Lehrer bekamen gleich eine mit Tischen abgegrenzte Ecke im Klassenzimmer für uns, und die Unterbringung war wirklich gut erträglich. Dazu noch lag die Schule genial: Gleich neben der U-Bahn-Station Innsbrucker Ring, von der aus man ohne Umsteigen ins Messezentrum und zur Teresienwiese fahren konnte.
Käßmann
Der unumstrittene Star des Kirchentags, der regelrecht kultische Verehrung erfuhr. Nun, da ich sie gleich zwei Mal live erlebt habe, kann ich noch besser nachvollziehen, welche Faszination von ihr ausgeht. Ohne dass ich mich wirklich von der Euphorie um ihre Person hätte anstecken lassen, muss ich doch deutlich feststellen: Ich habe noch nie einen beeindruckenderen Redner als Margot Käßmann gehört. Nicht nur hat sie etwas zu sagen, nicht nur kann sie brillant formulieren, nicht nur baut sie ihre Reden mit perfektem Timing auf, sondern vor allem verbindet sie all das mit einem unglaublichen Gespür für ihr Publikum. Ein symptomatisches Erlebnis: An einer Stelle unterbrach sie ihre Rede spontan, weil es wohl doch etwas länger geriet als gedacht. Als dann auf ihren Wunsch hin die 4000 Zuhörer aufstanden und ein Hoffnungslied aus Taizé anstimmten, passte die ganze Atmosphäre so wunderbar, dass mir fast die Tränen in den Augen standen.
A-Promis
Überhaupt war das eine interessante Erkenntnis, die man fast nur hier machen kann, denn wann hat man mal so viele wirklich prominente und kundige Redner auf einem Fleck? Auf einem Podium gab es u.a. einen Soziologen und einen Religionspädagogen, beides kluge und eloquente Menschen mit einer Botschaft. Aber sie wurden in den Schatten gestellt von Gesine Schwan, die, auch wenn man ihrer Grundlinie vielleicht gar nicht zustimmt, einfach nur beeindrucken kann mit blitzschneller Auffassungs- und ebensolcher Formulierungsgabe. Meine Erkenntnis: Ein A-Promi unterscheidet sich von einem B-Promi nicht durch die Boschaft, sondern durch die Fähigkeit, sie auf den Punkt zu bringen.
Laien
Eine ähnlich gelagerte Erkenntnis ergab sich diesbezüglich im Vergleich der Kirchen. Kurz: Die Protestanten haben die deutlich interessanteren und profilierteren Laien. Um zu verstehen, was ich meine, musste man nur Alois Glück vom ZK der Katholiken neben dem evangelischen Kirchentagspräsidenten Eckart Nagel sehen. Glück wirkt wie ein Pfarrgemeinderatsvorsitzender, dem Klerus unterstellt; Nagel dagegen stellt einen selbstbewussten und ebenbürtigen Partner der bischöflichen Amtskirche dar.
Ökumene
Vielleicht ist es, ein bisschen frech formuliert, gerade das, was die katholische Kirche den ökumenischen Kirchentagen gegenüber so skeptisch macht: die Angst, dass sich ihre katholischen Schäfchen zu sehr vom Selbstbewusstsein der evangelischen Laien anstecken lassen.
Aber ich muss zugeben, dass ich erst jetzt angefangen habe, wirklich ganz zu begreifen, was Ökumene soll. Bisher war mir der ökumenische Gedanke nicht wirklich wichtig. Ich habe keine Probleme damit, aber ein Herzensanliegen war er mir nicht. Erst hier in München habe ich gespürt, wie sehr sich die Kirchen befruchten können, wie groß die Gemeinsamkeiten sind und wie schön und wichtig es wäre, wenn man diese Gemeinsamkeit auch als echte Gemeinschaft feiern könnte - nämlich beim Mahl des Herrn. Ich habe eine echte Hoffnung mitgenommen, dass der Weg bis dahin gar nicht mehr so weit ist. Wenn man das jahrhundertealte Streitthema der Rechtfertigungslehre bereinigen konnte, warum dann nicht das vom Amts- und Sakramentsverständnis?
Für mich persönlich bedeutet das auch, dass ich mir vorgenommen habe, unsere gemischt-konfessionelle Ehe auch wieder ernster zu nehmen und als Chance zu begreifen.
Krise
Ebenfalls als Chance begreifen lässt sich die derzeitige Kirchenkrise. Die Aufdeckung der Missbrauchsfälle (und deren jahrzehntelange Vertuschung) bringt einen riesigen Vertrauensverlust und massenhaft Austritte. Aber der Kirchentag war ein Zeichen, eine regelrechte Demonstration: 160.000 Menschen stellen sich hier hin und sagen: Uns ist unsere Religion wichtig, wir treten nicht aus, sondern setzen uns aktiv ein.
Und ich will nur hoffen, dass auch die katholische Amtskirche nicht mehr lange weiter machen kann auf dem Weg zur ‚Kirche des heiligen Restes‘, der dann übrigbleibt, wenn alle kritischen Geister ihr den Rücken gekehrt haben. Nein, diese Krise könnte auch eine Chance sein, dass man endlich kapiert, dass man mit den sog. Laien rechnen muss. Wenn das der Fall wäre, dann hätte die schreckliche Geschichte um Missbrauchsopfer am Ende doch einen guten Sinn gezeitigt.