Fanboys

Die letzte PR-Aktion von Apple hat im Netz viel Staub aufgewirbelt und damit einige Dinge deutlicher gemacht - klingt nach Widerspruch, ist es aber nicht.

Was ist passiert? Letzten Montag schalteten die Apple-Startseiten in allen Sprachen um auf eine Ankündigung für eine große Neuerung in iTunes am Dienstag Nachmittag. Die Spekulationen schossen hoch: Neuer Video-Streaming-Dienst, Musik-Abos, ... Dienstag nachmittag wurde der Vorhang gelüftet: Ab sofort kann man sämtliche Beatles-Alben online bei iTunes kaufen.

Die Reaktion ließ erstaunen. Viele waren nicht nur enttäuscht, sondern völlig entsetzt und spuckten ihren Ärger in den Kommentaren auf den einschlägigen Webseiten nur so raus. Nur wenige verstanden den Hype, den Apple um die Aktion gemacht hat. Soviel zum aufgewirbelten Staub.
Was klarer geworden ist: Apple ist nicht mehr Apple, Apple-Kunden sind keine Apple-Jünger mehr - oder wenn, dann aus anderen Gründen als früher. Das nennt man dann nicht mehr Jünger, sondern Fanboy.

Um die großartige Ankündigung zu verstehen, muss man nämlich die Vorgeschichte kennen. Steve Jobs hat in seiner Firma immer als mehr gesehen als nur einen Computerhersteller. Als solcher hätte Apple irgendwann in den 90ern nämlich aufgeben können, als der Kampf gegen das Intel-Microsoft-Kartell verloren schien. Aber Steve Jobs wollte die Welt verändern. Legendär ist die
Think different‘-Werbekampagne, die genau das ausdrückte: Wer Apple nutzt, steht für einen anderen Umgang mit der Welt und mit der Technik. Nicht zufällig war in dieser Kampagne auch das Bild von John Lennon zu finden. Jobs war immer schon Beatles-Fan und sah eine gewisse Geistesverwandtschaft zwischen Apple und den Fab Four.
Umso schwerer wurde der permanente Zoff zwischen Apple und den Beatles empfunden. Dieser ging um den Namen, weil das Musiklabel der Beatles ‚Apple Records‘ heißt. Es herrschte zunächst Frieden, als man sich einigte: Die Firmen ‚Apple Computers Inc.’ und ‚Apple Records‘ haben verschiedene Geschäftsfelder: Die eine Computer, die andere Musik.
Damit war es aber nach der Einrichtung des iTunes Music Stores (der von Anfang an nicht ‚Apple Music Store‘ heißen durfte) und der Erfindung des iPods vorbei. Folge war ein jahrelanger Streit vor Gericht, der erst 2007 beigelegt werden konnte.
Hinzu kommt, dass sich Apple Records und v.a. Paul McCartney lange gegen einen Online-Vertrieb der Beatles-Platten gewehrt haben.

Wenn man dies alles weiß, kann man verstehen, dass Apple jetzt eine große Sache aus dem Einzug der Beatles in den iTunes Store macht.
Die Reaktion auf die PR-Aktion zeigt also, dass offensichtlich nur noch wenige Apple-Kunden die Geschichte der Firma und der Idee hinter Apple kennen - und viele von ihnen inzwischen zu jung sind, um die Beatles zu schätzen.
Man kann nach meiner Einschätzung die Apple-Nutzer inzwischen in drei Kategorien einteilen:
1. Apple-Jünger, meist inzwischen ältere Männer, die immer schon einen Mac hatten, alleine schon aus Hass gegen Microsoft.
2. Apple-Kunden jeden Alters, die die Qualität der Produkte schätzen, aber keine übertriebene Emotion damit verbinden.
3. Apple-Fanboys, die mit iPod und iPhone aufgewachsen sind und Apple-Geräte als coole Statussymbole schätzen, aber gar nicht so richtig erklären können, warum diese Dinger cool sind.
Die Kritik an der iTunes-Beatles-Aktion zeigt, wie groß Gruppe 3 und wie klein Gruppe 1 inzwischen geworden sind.
Ich selbst zähle mich inzwischen zur Gruppe 2. „Schon klar, ...“, höre ich einige zweifelnd sagen. Aber ich denke, dass es stimmt: Ich halte Mac OS X und iOS für die beiden besten Betriebssysteme ‚on the planet‘, wobei Windows 7 wohl inzwischen aufgeholt hat und auch Android eine brauchbare Grundlage ist. Ich bin ein
Jonathan-Ive-Fan und finde das Design einfach nur super, wobei es durchaus auch schöne PCs gibt. Selten, aber es gibt sie.
Nur gibt es leider immer noch keinen anderen Computer- und Handyhersteller, der das Zusammenspiel von Hard- und Software so überzeugend hinbekommt wie Apple. Denn für die ‚User-Experience‘ ist entscheidend, wie ein Computer als Gesamtsystem funktioniert. Das ist für mich der ausschlaggebende Grund, dass nach und nach Apple-Geräte bei uns alles andere verdrängt haben.
Ich kann aber immer noch Verständnis für die Gruppe 1 aufbringen, so wie ich Nostalgie immer verständlich finde.
Aber ich hasse es, mit Gruppe 3 in einen Topf geworfen zu werden.