farbig


(Bild: ARD)
Ein sehr interessantes Fernseherlebnis in letzter Zeit war für mich der Dreiteiler „Der Krieg“, eine europäische Co-Produktion, die in der ARD lief. In mehrerer Hinsicht.
Nach gefühlten 185 Guido-Knopp-Mehrteilern über diese Zeit, die ich allesamt ernsthaft studiert habe, war es ungewohnt, den GANZEN zweiten Weltkrieg in nur 3x45 Minuten abgehandelt zu bekommen. Meine These: Ich werde alt. Denn je weiter etwas zurückliegt, desto kürzer sind die Fernsehproduktionen darüber. Für den ersten Weltkrieg braucht man nur noch 90 Minuten, für die französische Revolution reicht ein 45-Minüter, und die Kreuzzüge sind nur eine kurze Notiz. Winking

Noch spannender fand ich aber meine Selbstbeobachtung bezüglich des eigentlich Ungewöhnlichen an dieser Produktion: Der Film war fast durchgehend nachkoloriert. Ich weiß noch genau, wie entsetzt ich über den ersten per Computer eingefärbten Film war. Das muss in den späten 80ern gewesen sein, und es war nur ein Laurel-und Hardy-Streifen. Aber ich empfand das damals regelrecht als Blasphemie, denn schließlich gehörte das Schwarz-weiße zum Wesen dieser Filme, und Kulturstücke ändert man nun mal nicht. Das gehörte in die gleiche Reihe wie die bonbonfarbenen Michelangelo-Fresken in der Sixtinischen Kapelle, die ja schließlich damals auch mit solcher seelenloser Computerunterstützung restauriert worden waren.
Und was ist noch schlimmer als die Verfälschung von Kulturzeugnissen? Die von journalistischer Wirklichkeit: Wochenschaubilder nachzubearbeiten, ist Geschichtsverfälschung. Das darf man ganz einfach nicht!
So dachte ich, als ich von dem Projekt las. Aber die Wirkung der Bilder, die ich an mir beobachten konnte, änderte doch meine Meinung: Die Menschen und das Geschehen wirken auf einmal so nahe. Die Farben sind in einem alten Sepia-Ton gewählt, so wie seltene, echte Farbfilme aus den 30ern eben auch wirken, und somit gibt es doch eine gewisse Distanz. Aber wie nahe fühlt man sich den Menschen, wenn die Frauen rote und keine grauen Kleider tragen, wenn die Gesichter hautfarben sind und die Nazihemden tatsächlich braun. Die Unbeschwertheit im Sommer 39, die Strapazen der Flucht im Winter 45, die jungen Kindergesichter des Volkssturms berühren den Zuschauer mehr als früher.
Ich denke natürlich auch als Lehrer: Vielleicht ist das ja eine Methode, Jugendlichen von heute eine emotionale Verbindung zum Geschehen vor 60 Jahren einzuflößen.