Lena


(Bildquelle)
Ich komme sicher mangels w-lan erst nach der Rückkehr nach D dazu, diesen Blogbeitrag hochzuladen, und bis dahin ist das vermutlich schon fast wieder uninteressant. Aber dennoch ein paar Gedanken zum gestrigen Sieg des deutschen Beitrags beim ESC (aka Grand Prix d’Eurovision de la chanson).
Wir haben hier im Feriendomizil mit drei Familien eine Song-Contest-Party ins Leben gerufen. Alle außer mir waren skeptisch, ob das was werden würde. Aber es wurde, stilgerecht mit Käseigeln, Bowle und Flips, mit Tipp-Spiel samt Computerauswertung. Aber für die Krönung der Party am Schluss konnten wir natürlich nichts.
Mann, tat das gut. Es wurde Zeit, dass Deutschland endlich mal wieder gewinnt. Jetzt ist für die nächsten 30 Jahre Ruhe. Endlich hört diese dusselige Verschwörungstheorieleier auf, dass die neuen osteuropäischen Länder uns ungerechterweise die Punkte wegnähmen (was oft genug auch durch
Statistikanalysen widerlegt wurde, aber was stören sich die Bildzeitung und der Volkszorn an Fakten?).
So ganz kann ich aber auch nicht verstehen, dass es ausgerechnet mit diesem Beitrag geklappt hat. Aber ein paar Ideen zum Phänomen Lena Meyer-Landrut lassen sich schon entwicklen.
1. Hype. Der Hype vorher ist wichtig. Ich weiß zwar auch nicht genau, wie das Marketingmanagement es schafft, dass die Londoner Buchmacher den Act vorher schon an die Spitze setzen, aber jedenfalls ist das die halbe Miete.
2. Authentizität. Lena selbst passt offensichtlich mit ihrer Persönlichkeit genau richtig in diese Zeit. Es hat den Anschein, als wären viele Menschen die geleckten, zurechtgecasteten und -geformten Schlagerverkaufspersönlichkeiten leid. Lena wirkt authentisch, sie kann auch gar nicht künstlich sein. Denn in dem halben Jahr, das seit ihrem Status des völligen Unbekannt-Seins verstrichen ist, hätte man aus ihr nicht diese Persönlichkeit künstlich gestalten können, die sie jetzt vorstellt. Jeder hat diesen Weg von der ersten Casting-Station an mitverfolgen können, er liegt ganz offen da und bietet keine Möglichkeit der Spekulation über eine künstliche Verformung.
3. Identifikation. Der übliche Effekt bei Casting-Shows: Jeder und jede kann sich erträumen, dass er/sie die gleiche Chance gehabt hätte und dasselbe hätte erreichen können. Lena kann nicht wirklich gut singen, sie sieht vergleichsweise ok, aber nicht brillant aus - da könnten vermutlich viele mithalten. Man rechnet sich dann das Quäntchen Persönlichkeit und Ausstrahlung schön, das einem selbst noch fehlt - und übersieht geflissentlich, dass genau dies dasjenige ist, worauf es am allermeisten ankommt. Und schon träumt man sich in die Hauptrolle des Lena-Märchens, das man schließlich gerade miterlebt.
4. Charme. Auch in anderen Ländern, wo man die Lena-Entwicklung ja nicht unmittelbar (sofern man bei einem TV-Phänomen von ‚unmittelbar‘ reden kann) verfolgen konnte, scheint ihr Charme zu wirken: Sie verzaubert die Menschen. Ich beobachtete auch an mir bei ihrem Auftritt bei 3nach9, dass ich ihr aufmerksam zuhörte. Denn man ist immer gespannt, was sie sagen wird und wie. Nicht dass ihre Äußerungen inhaltlich bestechen könnten, aber man wird eigentlich nie enttäuscht. Sie ist nicht berechenbar, ein wenig hat sie ‚einen an der Klatsche‘, wirkt aber nie brutal oder gefährlich. Dazu kommt noch eine Prise Beschützerinstinkt, und schon entwickelt sich der Lena-Charme.