Marcel und Thomas

Jetzt duzen sie sich - aber das war nicht das einzige, was sehr gekünstelt wirkte an dem Fernsehkritik-Gipfel von Thomas Gottschalk und Marcel Reich-Ranitzki.
Ein sehr interessantes Geschehen war das diese Woche. Ich habe doch glatt nach den Vorab-Meldungen des Eklats die Verleihung des Deutschen Fernsehpreises aufgezeichnet - hätte ich sonst nie angeguckt. Gut, dass ich sie nicht live gesehen habe, denn sie ließ sich tatsächlich nur zappenderweise ertragen. Ich kann Ranitzkis Genervtheit gut verstehen, der die Veranstaltung live erdulden musste und nicht wie ich am Festplattenrekorder vorspulen konnte.
Und dann die Auszeichnungen! Einige Sendungen hatte ich sogar gesehen und konnte die Nominierung für den Fernsehpreis gut nachvollziehen, wie im Fall der Doku über Kinderarbeit in Indien oder bei dem Fernsehfilm über die Liebe zwischen einem Stasi-Offizier und seiner Gefangenen. Natürlich musste man die Produktionen schon gesehen haben, um in den kurzen Auschnittschnipseln die Güte erkennen zu können. Und vermutlich tue ich dieser RTL-Doktor-Serie unrecht, wenn ich mir nicht vorstellen kann, dass sie preiswürdig sein könnte; aber bei „Deutschland sucht den Superstar“ kann es doch gar nicht sein, dass es keine Unterhaltungssendung gibt, die den Preis mehr verdient hätte als diese zynische, menschenverachtende Gefühlsmaschine!
Nun gut, ich hatte die ganze Show ja nur für zehn Minuten Reich-Ranitzki aufgezeichnet, und die lohnten sich in der Tat! Ranitzkis Rede war klasse, fast noch beeindruckender war Gottschalks souveräne Reaktion darauf. Und sehr amüsant war es, die namhaften TV-Gesichter im Publikum zu betrachten, das nicht recht verstand und/oder nicht recht glauben wollte, was es da erlebte. Herrlich, wenn man als Zuschauer bei dieser angekündigten Aufkündigung ja im Informations-Vorteil war.

Die aus dem Eklat entstandene kleine Talkrunde am Freitag Abend zwischen Gottschalk und Reich-Ranitzki war dann, wie zu erwarten, wenig ergiebig. Ich kann die Intendanten gut verstehen, dass sie sich dafür nicht hergaben mit dem Argument: „Reich-Ranitzki würde auch nicht mit Leuten diskutieren, die nicht lesen - wir sprechen nicht öffentlich mit jemandem, der von Fernsehen nichts versteht.“ Ranitzkis Vorschlag, Shakespeare und Brecht als Rettung des Fernsehens einzusetzen, wirkt in der Tat lächerlich. Aber er hat ihn ja ganz anders gemeint und hatte nur viel zu wenig Sachkenntnis, um ihn überzeugender zu formulieren: Shakespeare und Brecht hatten zu ihrer Zeit bewiesen, dass sich geistvolle Unterhaltung machen lässt - warum kann das heute keiner? Ganz einfach: Weil sich keiner traut.
Wie klasse wäre der Abend geworden, wenn man statt des greisen Literaturpapstes den ausgewiesenen Fernsehfachmann Oliver Kalkofe eingeladen hätte. Man hätte eigentlich nur seine Rede von den Medientagen 2007 auszustrahlen brauchen.