Doppelstunden

Auf unserer letzten GLK wurde beantragt, die letztes Jahr eingeführte Doppelstundenschiene in den ersten beiden Stunden wieder abzuschaffen.
Dieser Antrag und auch die Art und Weise, wie er diskutiert wurde, hat mich mal wieder völlig frustriert.
Ich finde nämlich die Doppelstundenschiene eine Erfolgsstory. Sie hilft, den langen Tag, den das G8 für viele Schüler an vielen Tagen nötig macht, abzumildern, weil sie weniger Fachwechsel und Lehrerwechsel über sich ergehen lassen müssen und auch weniger Bücher mitschleppen müssen. Außerdem ist die Atmosphäre im Haus in den ersten beiden Stunden deutlich anders als am Rest des Tages: ruhiger, konzentrierter.
Aber ganz offensichtlich kann sich ein großer Teil des Kollegiums nicht mit Doppelstunden anfreunden. Ich habe aufgrund der Argumentation in der Konferenz eine Vermutung, was den Grund angeht: Sie haben keine Lust, ihren Unterricht anzupassen. Wenn ich aber eine Doppelstunde gestalte, als wären es zwei aufeinander folgende Einzelstunden, kann es gar nicht klappen. Natürlich können die Schüler es nicht aushalten, wenn der Lehrer nun 90 statt bisher 45 Minuten an sie ranschwätzt. Kein Wunder auch, dass die Kollegen meinen, sie würden in Doppelstunden weniger Stoff schaffen als in zwei Einzelstunden. Dahinter hört man, teils sogar unverhohlen, die veraltete Idee heraus, dass man einen Lehrplan habe, den es durchzuziehen gelte. Wenn das gemacht wurde, hat der Lehrer seine Pflicht erfüllt. Sollten die Schüler dabei zu wenig gelernt haben, dann ist das ihr Problem, ausschließlich. Die Veränderungen der letzten Jahre (Kompetenzen, Standards, Verantwortung für den Lernerfolg) sind bei vielen Lehrern noch nicht angekommen, nicht mal im Ansatz. Denn dann würde man zumindest auch erwägen, dass man in Doppelstunden vielleicht tatsächlich weniger Stoff schafft, aber dafür ein weit intensiveres Lernerlebnis ermöglichen kann, sodass das Gelernte sich viel besser einprägt.
Ein Beispiel: Wenn ich vom Wilhelm Tell zwei oder drei Szenen im Lehrer-Schüler-Gespräch durchhechele, oder aber stattdessen nur eine einzige, aber diese mit den Schülern spiele und durchlebe, was wird sich wohl tiefer einprägen?

Vielleicht aber muss man auch mal ganz grundsätzlich werden und über das System der Gesamtlehrerkonferenz nachdenken. Ich erkenne so gut wie keinen Unterschied zwischen der GLK und der Personalversammlung. In einer PV ist es angebracht, über Überlastung nachzudenken und Entlastung zu fordern. Hier dürfen Lehrer ganz egoistisch ihre eigene Situation im Blick haben - und nur die. Die GLK hat nach meinem Dafürhalten auch das Große, Ganze der Schule im Blick zu haben. Da sind wir nicht als Arbeitnehmer an der Schule gefragt, sondern als Mitverantwortliche für den Lernprozess. Wenn wir hier nicht das Wohl der Schüler und der Schule genauso hoch gewichten wie unser eigenes, dann finde ich das unprofessionell.
Auf der letzten GLK wurde jedenfalls klar, dass wir bei der nächsten GLK am Schuljahresende noch einmal über die Doppelstundenschiene abstimmen. Ich musste mir gleich anschließend mal etwas von der Seele schreiben und habe eine kleine
Aufstellung der Argumente verfasst. Vielleicht hilft sie ja, genügend Kollegen zu überzeugen. Aber ich habe wenig Hoffnung.

Update:
Die Abstimmung verlief doch erfolgreich: Der Abstand fiel etwas höher aus als beim letzten Mal. Nicht viel, aber immerhin. Das Hauptargument, das die meisten Leute
überzeugte überredete: Wie stehen wir da, wenn wir jetzt die Doppelstunden abschaffen? Wir wären die einzige Schule in der ganzen Gegend ohne Doppelstundenschiene, und unser neuer Chef müsste sie im nächsten Jahr wieder einführen, zur Not an der GLK vorbei.